Was ein fischertechniker mit den Makern gemein hat.

Unübersehbar wogt die Maker-Welle. Seit der ersten Maker-Messe in den USA im Jahr 2006 breitet sich die Do-It-Yourself (DIY)-Kultur mit wachsender Geschwindigkeit in der gesamten Welt aus. Über 200.000 Maker besuchten 2015 die Maker Faire New York – eine von vielen hundert Maker-Messen, die inzwischen jährlich weltweit stattfinden. Auch in Deutschland wächst die Schar der Macher: Neben den mittlerweile sechs Maker Faires wurden mindestens 40 FabLabs gegründet, hinzu kommen wenigstens 500 Reparatur-Cafés und ein Maker-Magazin – die „Make:“ des heise-Verlags.

Woher kommt dieses plötzlich wiedererwachte Interesse am „Selbermachen“ – nachdem der Hobbykeller vor mindestens einer Generation  zum Auslaufmodell wurde?

Spekulieren wir ein wenig. Wie muss unsere heutige Welt, in der es alles zu kaufen gibt, was wir uns wünschen können – und sogar vieles, was wir uns nicht einmal vorgestellt hätten – auf ein Wesen wirken, dass vor Jahrtausenden als „Krone der Schöpfung“ angetreten ist, sich die Welt untertan zu machen? Das sich heute in einer Welt wiederfindet, in der sich weder Fön noch Radio, weder Moped noch Auto aufschrauben und mit Lötkolben, Werkzeugkasten und gängigen Ersatzteilen reparieren lassen? In der nicht nur das Handwerk, sondern auch das Wissen um das Hand-Werken vom Aussterben bedroht sind? Einer Welt, in der die meisten von uns wahrscheinlich nicht überleben würden, wären wir auf uns allein gestellt und auf unsere Fertigkeiten angewiesen – denn wer bekäme noch die Milch aus der Kuh oder ein Brot aus dem Weizenfeld?

Die Auswirkungen des Souveränitätsverlustes sind womöglich weit größer. In seinem lesenswerten Buch „Die Kultur der Reparatur“ (Hanser/Goldmann Verlag, 2013) schreibt Prof. Dr. Wolfgang Heckl, Generaldirektor des Deutschen Museums in München: „Experimente von Psychologen haben gezeigt, dass die Erfahrung der Hilflosigkeit die Lernfähigkeit des Menschen einschränkt.“ (S. 120).

Es mischt sich also die – ein wenig verzweifelte – Sehnsucht nach der verlorenen Souveränität im Umgang mit unserer immer komplexeren (Um-)Welt mit der uns Menschen eigenen Lust an der Problemlösung. Und schon ist der Boden bereitet für die Begeisterung an der partiellen, eigenhändigen Wiedererschaffung der Welt – oder zumindest einiger ihrer Artefakte, die sich auf Maker-Messen bestaunen lassen.

maker faire Hannover 2016
Maker Faire Hannover 2016 (Foto: Sven Engelke): Leuchtturm, Strickmaschine, Turmbergbahn mit Abt’scher Weiche, Dampfmaschine, Glasmurmelbahn.

Tatsächlich machen wir fischertechniker seit Jahren nichts anderes: Auch wir erobern uns mit unseren Funktionsmodellen die Welt der Technik (zurück), deren elementare Grundprinzipien sich in immer intransparenteren Produkten vor unseren neugierigen Blicken verbergen. Wer das Prinzip einer Gangschaltung verstehen will, sollte heute lieber nicht mehr in einem Automobil danach suchen – sondern besser eine fischertechnik-Schaltung konstruieren. Kein Wunder, dass sich Maker und fischertechniker blendend verstehen – zuletzt zu beobachten Ende Mai 2016 auf der Maker Faire in Hannover (16.000 Besucher): Der von Makern umlagerte Stand der fischertechnik-Community war ein Highlight der Messe, und die den Stand betreuenden fischertechnik-Fans wurden von interessierten Nachfragen und Erzählungen von wiedererwachten fischertechnik-Jugendträumen geradezu „geflutet“.

2 Antworten auf „Was ein fischertechniker mit den Makern gemein hat.

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  1. In diesen Zeiten in denen unsereins, von der Industrie als ‚Volldepp‘ entmündigt, selbst einfachste Reparaturen nicht ausführen darf (siehe z.B. Lampentausch bei diversen Automobilen, Mobilgeräte die am Akkulebensdauerende komplett zu verschrotten sind …), ist es richtig wohltuend zu sehen, wie sich der Widerstand dagegen nicht nur regt sondern auch publikumswirksam als MakerFaires manifestiert.

    Im Altertum war es der legendäre Brand der Bibliothek von Alexandria und heutzutage ist es die Wegwerfmentalität und die Tendenz Alles und Jedes unglaublich kompliziert zu machen, die uns massiv Wissen kosten.

    Oder wie bei Kelly Bundy: Für jede neu gelernte Information geht eine Ältere verloren.

    Lehnen wir uns dagegen auf und machen unser Ding. Weiter so fischertechniker.

    1. Lieber Maker-Faire-Besucher,
      ja, so ist das. Und besonders schlimm erscheint mir dabei, dass vor allem unsere Kinder die Welt nicht mehr als „gestaltbar“, sondern überwiegend nur noch als „konsumierbar“ erleben. Aldous Huxley hat 1932 in „Brave New World“ beschrieben, wohin das führen könnte – eine Erlebniswelt, die wir irgendwann nur noch mit Drogen ertragen. Vielleicht aber kommt es gar nicht so weit: Wenn die Erwachsenen von morgen nur noch Konsumenten und keine Gestalter mehr sein werden, wird die Menschheit diese Welt nicht bewahren können (und erst recht nicht die Probleme der Zukunft lösen).
      Beste Grüße, fischertechniker

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